Hamburger Abendblatt
Rönneburger entwickelt Gerät, mit dem ungebetene Hausgäste lebendig gefangen und ausgesetzt
werden können
Rönneburg. Dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Wer Ole Tiedt begegnet, fühlt sich an Daniel Düsentrieb erinnert. Zwar hat der freundliche Blonde äußerlich überhaupt keinerlei Ähnlichkeit mit Walt Disneys Comicfigur. Geistig aber schon. Ständig fällt dem Elektroingenieur etwas ein, das den Alltag erleichtern könnte. Jetzt hat er eine seiner Ideen im großen Stil praktisch umgesetzt. Seit wenigen Wochen ist der sogenannte Bug-Mug auf dem Markt.
Der Käfer-Becher ist eine Lebendfalle. Er bietet die Möglichkeit, ungeliebte Hausgäste wie Spinnen, Bienen, Wespen oder sogar von Katzen einschleppte Frösche und Mäuse lebendig zu fangen und wieder in der Natur auszusetzen. Das Produkt ist somit gleichermaßen interessant für Tierfreunde und Menschen mit Abneigung gegen sechs- oder achtbeinige Krabbler.
Ole Tiedt selbst gehört zu beiden Zielgruppen. Sein Ingenieurbüro – eine Handelsvertretung für Spezialkabel der Fa. Ernst & Engbring GmbH – liegt im Keller seines Wohnhauses. Umgeben ist das Rönneburger Anwesen von Gebüsch und hohen Bäumen. Deshalb gibt es dort besonders viel Kleingetier. Spinnen sind zwar absolut harmlos und als Insektenjäger sehr nützlich, aber sowohl der Hausherr als auch seine Sekretärin empfinden ihre Gegenwart als unangenehm. Weil im Hause Tiedt zur Entfernung weder die brutale "Pantoffel-Methode" noch der Einsatz des Staubsaugers infrage kommt, musste stets Oles Frau Hilke kleine Biester mittels Marmeladenglas und Pappe einfangen. Ein Zustand, den alle Beteiligten als suboptimal empfanden.
So suchte Ole Tiedt im Internet nach sogenannten Spidercatchern. Er bestellte je ein Exemplar der zur Auswahl stehenden Modelle und befand ihre Praktikabilität ausnahmslos als unbefriedigend. Deshalb beschloss er, selbst eine bessere Konstruktion zu entwickeln. Die Kriterien: Das Tier sollte unverletzt bleiben. Die Falle sollte groß genug sein, um auch größere Spezies aufzunehmen und sicher einzuschließen. Wegen des "Grusel-Effekts" und der Erreichbarkeit auch in schlecht zugänglichen Nischen und an der Decke sollte der Abstand von Mensch und Tier möglichst groß sein.
Der Bug-Mug erfüllt genau das. Der Fangbecher hat einen langen Griff. Durch Drehung lässt sich eine Plastikscheibe unter den Becher schieben, bis sie in eine Kerbe einrastet und das Gefäß lückenlos abschließt. Ein Druckknopf verhindert unbeabsichtigtes Öffnen. Der Becher ist transparent genug, um feststellen zu können, ob das Tier wirklich gefangen ist. Aber so milchig, dass keine Details zu sehen sind – angenehm für Menschen mit Spinnen- oder Insekten-Phobie.
Mehr als zwei Jahre hat Ole Tiedt mehr oder minder intensiv daran getüftelt. Nach Feierabend, wohlgemerkt. Seine Frau und die Kinder sind am Abenteuer von Entwicklung und Herstellung wesentlich beteiligt. "Made in Hamburg" steht denn auch auf der Verpackung. Zwar stammen die Plastikteile aus Kostengründen aus China. Montiert werden die acht Einzelteile aber im Hause Tiedt.
In Fernost hat Tiedt als Mindestmenge je 10.000 Griffe, Deckel, Becher sowie weiße und transparente Röhren in Auftrag geben müssen. Aus Deutschland kommen Druckknöpfe und Federn, Aufkleber und Verpackung. Rund zwei Minuten braucht es, bis das Gerät zusammengebaut ist. Und obwohl Ole, Leo und seine Zwillingsschwester Anne arbeitsteilig in jeder freien Minute gemeinsam werkeln, wird das Trio vermutlich noch auf Jahre hinaus beschäftigt sein. Hunderte Kartons mit Einzelteilen sind noch eingelagert.
Die Investition ist hoch. 30.000 Euro hat Tiedt schon ausgegeben, obwohl er noch längst nicht alle Teile für 10.000 Spinnenfänger gekauft hat und auch sonst spart, wo er nur kann. Die Gebrauchsanleitung entwarf ein Grafiker zum Freundschaftspreis, Bilder schoss eine befreundete Fotografin.